Wald und Wiesen Imkerei Olaf Müller www.biohonigbonn.de Bieneninfo 2/04, 29.6.2004
kalt schleudern – kalt belassen und das „Reifen“ des Honigs
Die Bezeichnung des Honigs als „kalt geschleudert“ ist heutzutage nicht mehr sinnvoll, weil das Gegenteil nämlich das Auskochen, seit mehr als hundert Jahren nicht mehr üblich ist. Dieser Ausdruck darf nach der Honigverortnung auch garnicht mehr verwendet werden.150 Jahre ist es her, dass Honigschleudern und die Wabenrähmchen in Gebrauch kamen. Vorher wurden die Wabenstücke aus den Bienenkörben geschnitten und mit einen Rundholz in einem Sack so lange gequetscht, bis der Honig heraus war. Oder die Waben wurden gekocht, das Wachs nach dem Erkalten abgeschöpft und der dunkle Sirup artige Saft war gewonnen. Honig in unserem Sinne war das nicht. Da war es ein großer Fortschritt, kalt, also ohne kochen, schleudern zu können. Heutzutage ist das eine Selbstverständlichkeit. Die Waben sollten noch etwas von der Wärme aus dem Bienenvolk haben, damit der Honig gut aus der Schleuder fließt. Manche verwenden den Ausdruck „kalt schleudern“ noch, weil es an das „kalt pressen“ oder “kalt schlagen” des Speiseöls erinnert. Nicht gerade eine geistige Glanzleistung.
Kalt belassen sollte der Honig sein. Er sollte beim Abfüllen nicht stark erhitzt und dadurch wieder verflüssigt werden. 40 Grad, heißt es, verträgt Honig, ohne Schaden zu nehmen. Ich achte sehr streng darauf, dass 35 Grad nicht überschritten werden. Wieder flüssig mache ich Honig schon gar nicht. Es genügt, dass der Honig, nach dem Rühren cremig durch den Abfüllhahn fließt. Auch wenn es mehr (Arbeits-) Zeit kostet. Es dient der Qualität und dem Geschmack, wenn Honig schonend in die Gläser kommt.
Wie ist das überhaupt mit flüssigem und festem Honig? Beim Schleudern ist jeder Honig flüssig und klar, sonst würde er nicht aus der Wabe kommen. Was schon vor der Ernte in den Waben kristallisiert, bleibt in den Waben und wir geben es den Bienen zurück. Das kommt aber nur selten vor. Nebenbei sei noch mal betont: wir nehmen den Bienen nie alles weg. Ohne Honigvorräte würden sie aufhören zu brüten. (vergl. auch Info 1/ 04)
Im frisch geschleuderten Honig beginnt bald der Glucoseanteil (Traubenzucker) kleine Kristalle zu bilden. Der Fruktoseanteil (Fruchtzucker) bleibt dagegen flüssig. Manche Frühjahrsblütenhonige kandieren – so sagt man zum Auskristallisieren – in Tagen und werden steinhart. Andere, meist die Sommersorten, kandieren nach Monaten oder Jahren. Ist mehr Traubenzucker darin geht’s rasch, ist mehr Fruchtzucker darin geht’s langsam oder gar nicht. Es gibt aber auch Unterschiede, die aus der Herkunft der Tracht bestimmt werden; z.B. kandiert Ahornhonig sämig und Rapshonig sehr fest, wenn der Imker nicht eingreift. Dauerhaft flüssig bleiben Honige mit hohem Trachtanteil aus der Akazie (eigentlich Robinie) und z.B. der schwarz-grüne Tannenhonig. Und hier finden wir einen der großen Kunstgriffe beim Honig-zu-Markte-tragen. Ohne der Honigqualität zu schaden, kann der Imker die Konsistenz des Naturprodukts beeinflussen. Der richtige Dreh beim Rühren ist die Kunst. Großabfüller pressen den Honig durch feine Düsen, aber das ist keine Methode für den qualitätsbewussten Imker. Der gereifte Honig, wenn er nicht mehr flüssig ist, sollte nicht zu hart sein, sondern cremig gerührt. Er soll nicht vom Löffel oder vom Brot tropfen. Nicht immer gelingt das perfekt.
Der ganz frische noch flüssige schmeckt auf seine Art besonders. Der gereifte, kandierte hebt andere Geschmackskomponenten hervor. Es lohnt sich, selbst Bienen zu halten, um all die feinen Duft- und Geschmacksnoten rund um das Bienenvolk zu erleben.
Olaf Müller